Voraussetzungen für aktive Medienarbeit – Technik
Leiterin: „Liebe Kolleginnen, wir haben heute einen neuen Computer von Eltern geschenkt bekommen.“
Erzieherin: „Neu? Der läuft mit Windows XP…“
Was ist angemessene Technik für den pädagogischen Einsatz in Bildungsprozessen? Reicht ein über 10 Jahre alter Computer? Muss ein Beamer angeschafft werden? Braucht wirklich jede Gruppe/ Klasse eine Digitalkamera? Viele Fragen dieser Art beschäftigen pädagogische Fachkräfte im Bildungsbereich. Oft ist der Wille zum medienpädagogischen Arbeiten da, scheitert aber an der medialen Ausstattung der Einrichtung.
Medienausstattung
In Schulen und Kindergärten gibt es einen Grundstock an technischer Ausstattung. Dazu zählen etwa Cd- oder Kassettenspieler, Tageslichtprojektoren oder Dia-Projektoren. Ferner besonders in der Schule Fernsehgeräte mit Video- bzw. DVD-Spieler. Die technische Ausstattung ist nicht mehr aktuell. Oft orientiert sich der Bestand zu einem großen Teil an der Ausstattung zur Eröffnung der Einrichtung. Kleinere Anschaffungen wie etwa Digitalkameras wurden mittlerweile in fast allen Einrichtungen nachgerüstet, ebenso neuere Computer für Lehrer und Erzieher. Doch wie sieht es mit Videokameras, Mikrophonen, Kopfhörern, Aufnahmegeräten, Notebooks oder gar Tablets aus? Und wie mit der Ausstattung mit angemessener Software oder dem Internetzugang?
Christopher Shamburg hat 2004 in den USA ein zweijähriges Projekt mit 18 Lehrern (elementar- und Primarbereich) durchgeführt. Die Interviews mit den Lehrern ergaben, dass fast alle nur ältere Computer zur Verfügung gestellt bekommen, die an anderer Stelle aussortiert werden. Digitalkameras müssen häufig mit mehreren Gruppen geteilt werden, was dazu führt, dass viele Lehrer auch ihre privaten Geräte einsetzen. Neben der rein technischen Ausstattung wurde zudem von Problemen bei der Anschaffung von angemessener Software berichtet (vgl. Shamburg, 2004, S. 238)
Dieter Spanhel schildert als wichtige Voraussetzung für die Realisierung von medienpädagogischen Projekten „[…] insbesondere die problemlose Verfügbarkeit über die einzelnen Medien für Erzieherinnen und Kinder“ (Spanhel, 2006, S. 287). Er fordert hierbei die Ausstattung mit Aufnahmegeräten für Video- und Audio, sowie Computern mit einer Grundausstattung und geeigneter Software. Diese Ausstattung muss dabei flächendeckend und mit neusten Medien geschehen (Anfang, Uhlenbruck, 2009).
Stellenwert?
Eine Anschaffung im Bildungsbereich wird an verschiedenen Aspekten gemessen und muss begründet werden. Gerade im Elementarbereich konkurrieren die verschiedenen Bildungsbereiche miteinander um die beste Ausstattung. Stiefkinder sind Bereiche die einen geringeren Stellenwert einnehmen. Obwohl die Bildungspläne der einzelnen Bundesländer die Medienbildung als Bestandteil des Curriculum betrachten, wird sie doch häufig in der Praxis vernachlässigt. Wie ist also der Stellenwert?
Aus einer 1997 in Deutschland durchgeführten Studie (Eirich, 1999):
Die pädagogische Arbeit mit elektronischen Medien im Kindergarten hieß nur für ca. 38% der Erzieherinnen den Kindern Primärerfahrungen und die Nutzung elektronischer Medien zu ermöglichen. Interessanterweise befanden 66,7% der Erzieherinnen dass die pädagogische Arbeit mit elektronischen Medien Kindern die Gelegenheit geben sollte eigene Medien zu gestalten z.B. ein Hörspiel.
65% der befragten Erzieherinnen gaben an elektronische Medien nie oder selten in ihrer Arbeit zu verwenden. Regelmäßig eingesetzt werden sie nur von ca. 10% der Befragten. 1/4 der Befragten hatte im Rahmen von Projekten schon mit neuen Medien zu tun. Nie bis selten werden hierbei Computer (96%) und Videospiele (98%) sowie Video (71%) und Fernsehen (79%) eingesetzt. Diese Zahlen verwundern nicht. Laut Aussage der Leitungen der befragten Einrichtungen wird die Arbeit mit elektronischen Medien nicht im Arbeitsplan berücksichtigt.
Die Erzieherinnen gaben an, dass „die wichtigsten Hindernisse für die pädagogische Arbeit mit elektronischen Medien […] die mangelhafte Medienausstattung der Einrichtung, mangelndes medienpädagogische Material, unzureichende fachspezifische Ausbildung, zu wenig Fortbildungsmöglichkeiten und der technische Aufwand“ (Eirich, 1999) sind.
Was bedeutet dies für den Elementarbereich?
Die Medienpädagogik muss als eigenständiger, wichtiger, Förderbereich Akzeptanz in den Einrichtungen erlangen. Nur so kann eine gute Ausstattung mit Neuen Medien begründet und durchgesetzt werden. Eine Grundausstattung muss dem geplanten Einsatzzweck entsprechen. Soll mit dem Computer gearbeitet werden? Dann sollte ein neueres Notebook mit W-Lan, Maus, Drucker, Scanner und evtl. Zeichentablet angeschafft werden. Zusätzlich Headset und Mikrofon. Geachtet werden sollte auch auf die Sicherung der Benutzeroberfläche und eine gute Qualität der Software. Wollen Videoprojekte realisiert werden? Dann sollte eine digitale Videokamera sowie ein Notebook mit Videoschneidesoftware angeschafft werden. Bei großem Budget noch entsprechende externe Mikrofone oder Leuchtmittel. Soll eher im Audiobereich gearbeitet werden? Dann ist die Anschaffung guter, kindgerechter digitaler Audioaufnahmegeräte sowie ein Notebook mit entsprechender Bearbeitungssoftware nützlich.
Leider sind in der Praxis für solche Anschaffungen oft die Gelder zu knapp. Das Einsetzen privater Geräte ist möglich. Er sollte jedoch abgesprochen und der Versicherungsschutz für den Schadenfall abgeklärt werden. Alternativen bieten die Kreis- und Landesmedienzentren. Öffentliche Einrichtungen haben dort die Möglichkeit sich Geräte für Projekte auszuleihen. Auch mit wenigen technischen Mitteln lassen sich medienpädagogische Projekte realisieren. Verfügt die Einrichtung „nur“ über einen Kassettenrecorder ist es besser damit Sprachspiele durchzuführen als nichts zu tun.
Wichtig für die Überlegung der passenden Anschaffung:
Die Medienpädagogik ist keine eigenständige Profession. Aktive Medienarbeit lebt durch das Zusammenspiel der verschiedenen Bildungsbereiche. Die technischen Mittel können, ja sollen sogar, möglichst vielfältig und oft in verschiedenen Bildungsbereichen zum Einsatz kommen.
Weiterführende praxisorientierte Links:
Medienerziehung in Kita und Schule (auf bibernetz.de)
Materialien, Handreichungen zur medienpädagogischen Arbeit in der Kita (auf bildungsserver.de)
Was nützt die beste Technische Ausstattung, wenn die pädagogischen Fachkräfte nicht damit umgehen können? Der nächsteBeitrag beschäftigt sich deshalb mit dem Thema „Voraussetzungen für aktive Medienarbeit – nötige Kompetenzen „.
4 Kommentare
In meiner Bachelorarbeit habe ich mich mit dem Thema Schüler-Streitschlichterausbildung nach der Blended-Learning Methode auseinandergesetzt. Mein Hauptanliegen war es, die Kenntnisse und Fähigkeiten von Schülern in der PC- und Internetnutzung im Rahmen solch einer Ausbildungskonezption zum Einsatz kommen zu lassen, um somit eine hohe Raum- und Zeitflexibilität bei der Umsetzung zu erreichen. In diesem Zusammenhang habe ich eine anonyme Befragung von Lehrkräften an verschiedenen Schulen durchgeführt, um u.a. zum Thema Qualität der medialen Ausstattung an Schulen. Die Mehrheit der Befragten haben, überwiegend aus Gründen der technische Machbarkeit heraus, die Umsetzung dieses Konzeptes an ihrer Schule für nicht möglich erachtet. Das fand ich insgesamt schade, denn die heranwachsende Generation hat die genannten Kompetenzen und Fähigkeiten, denn durch den häufigen Kontakt mit diesen Medien werden bei ihnen die Hirnvernetzungen, ihre Geschicklichkeitskonstellationen, ihre Reaktionsschnelligkeit, ihre taktischen Kompetenzen und ihre Bewertungsgrundlagen beeinflusst und fördert ihr unorthodoxes und kreatives Denkvermögen (vgl. STRUCK 1998, S.137.
Diese Eigenschaften können aber in so einem genannten wichtigen Bereich nicht zum Einsatz kommen, weil die Möglichkeiten dafür seitens der Verantwortlichen nicht geschaffen werden.
Also, wir haben noch viel Arbeit vor uns…
Hier die Literaturergänzung:
STRUCK, P. (1998). Netzwerk Schule. Mit dem Computer das Lernen lernen. Carl Hanser Verlag, München 1998.
Hallo Mitat,
es ist wirklich sehr schade, dass deine Umfrage bestätigt was ich geschrieben habe. Viele gute Konzepte können nur in einem Bruchteil der Schulen oder anderen pädagogischen Einrichtungen umgesetzt werden, weil die mediale Ausstattung veraltet ist.
Ja, es gibt noch viel zu tun in diesem Bereich. Umso wichtiger dürfte die Aufklärung der Institutionen über den Mehrwert einer angemessenen Ausstattung sein.
Viele Grüße
Jacqueline
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