Digital Immigrants und „Neue Medien“
Erzieherin: „Na, wie war dein Wochenende, was habt ihr Tolles gemacht?“ Kind (7 Jahre): „Toll, meine Schwester und ich haben jeweils ein IPad bekommen.“
Erzieherin: „Was? Ein IPad? Wozu braucht deine Schwester denn eines, sie ist doch erst zwei!“
(Praxisdialog aus März 2013)
Sie sehen, heutige Pädagogen sind mit Dingen konfrontiert, die sie erst einmal sehr verwundern. Zugegeben, nachzuvollziehen warum ein Kind mit zwei Jahren ein eigenes Tablet braucht ist wirklich nicht einfach, interessant daran ist jedoch, dass dieses Kind damit umgehen kann. Es kann das Gerät einschalten, Apps aufrufen, damit spielen und Filme ansehen. Alleine, mit zwei Jahren.
Wenn Sie dieses Bild im Hinterkopf behalten, spinnen Sie es einmal weiter. Welche Fähigkeiten wird dieses Kind wohl besitzen, wenn es in den Kindergarten kommt und dann in die Schule? Auch ohne ihnen hier Beispiele zu nennen bin ich sicher, dass Sie zu dem Schluss kommen, dass dieses Kind sich problemlos auf verschiedenen Betriebssystemen zurechtfinden wird, dass es längst weiß, wie Spiele installiert werden, wie man im Internet surft und wie man etwas ausdruckt.
Herausforderung für Pädagogen?
„Ich erkannte, dass ich noch das alte klassische Gehirn bin und meine Kinder schon digitale Gehirne besitzen. Es ist wie ein Generationenbruch, eine Art Fremdheit“ (Thiel, 2009)
Wie sollen Pädagogen mit solchen Kindern umgehen? Funktionieren altbewährte Unterrichts- und Lehrmethoden bei ihnen?
Nadia Ambrosetti schreibt, dass Digital Natives (also Personen, die mit Neuen Medien aufgewachsen sind) folgende Charakteristika aufweisen: „[…] the digital native prefers virtuality, the use of images, multi-tasking, a random acces to information [and] to be connected to a network“ (Ambrosetti, 2011, S. 2340). Als Gegenpart stellt sie Digital Immigrants als Personen dar, die sich lieber in der physischen Welt aufhalten, mündliche Erklärungen bevorzugen, eine Sache nach der anderen erledigen und lieber ohne einen ständigen Zugang zum Internet arbeiten, dieses aber benutzen wenn es nötig ist (ebd.) Dies ist natürlich eine sehr plakative Gegenüberstellung von Stereotypen. Mit Sicherheit gibt es in beiden Gruppen auch Überschneidungen.
Zu recht stellt Frau Ambrosetti die Frage, ob Lehrer (ich erweitere die Frage generell auf Pädagogen) wirklich noch Digital Immigrants sind. Sie kommst zu dem Schluss, dass es heute schon sehr viele Mediennutzungsmöglichkeiten für Lehrer gibt. Etwa eine bessere Ausstattung mit Medien, Fortbildungen oder Online Communities, sowie Webinare (ebd.). Viele Pädagogen müssen berufsbedingt mit Neuen Medien arbeiten. Meine Frage ist nun aber, ob sie diese Medien auch für Bildungsprozesse nutzen. Meine bisherigen Erfahrungen zeigten, dass besonders jüngere Kolleginnen und Kollegen mediengestützt arbeiten. Also Pädagogen, die selbst zur Altersgruppe der Digital Natives gehören. Kollegen, die hingegen Digital Immigrants sind, nutzen diese Möglichkeit seltener. Warum?
Gibt es einen Zusammenhang zwischen der eigenen Medienbiografie und dem Einsatz Neuer Medien in Bildungssituationen?
Ja. Zu diesem Schluss gelangt die Studie von David M. Piper (2008). Sie bezog sich auf den Einsatz von Computern in Lehrsituationen. Meiner Meinung nach können die Ergebnisse jedoch auch generalisiert auf den Einsatz Neuer Medien in Bildungsprozessen übertragen werden. Piper kombinierte sein Studienergebnis mit vorhergehenden Studien und leitete daraus die These ab, dass Lehrer ohne entsprechende Vorerfahrung und Vertrauen in ihre Fähigkeiten im Umgang mit Computern diesen Umgang auch nicht vertiefen und ausbauen werden. Dies führt dazu, dass diese Lehrkräfte keinen Computer im Unterricht einsetzen werden. Er schlussfolgert, dass es nötig ist Lehrern einen sichereren Umgang mit Computern zu vermitteln, entsprechend ihrem Wissensstand. Piper befürwortet die Einführung eines IEP – individualised education plan für jeden Lehrer um sie in ihrem Mediengebrauch weiterzubilden (vgl. Piper, 2001, S.76).
Was bedeutet dies für den Elementarbereich?
Umdenken. Pädagogen sind mit einer Generation konfrontiert die über ein größeres Verständnis für Medien verfügt als sie selbst. Betroffen sind besonders ältere Kolleginnen und Kollegen, die im Umgang mit Neuen Medien (etwa dem Computer, Beamer, digitalen Formaten, Internetnutzung, o.ä.) unsicher sind. Es ist nötig ihr Selbstvertrauen im Umgang mit diesen Medien zu stärken und ihnen die Möglichkeit zu geben an entsprechenden Aus- und Weiterbildungen teilzunehmen. Ein Reflektieren der Beweggründe für oder gegen ein persönliches Einsetzen moderner Medien im Bildungsprozess kann eine wichtige Hilfestellung sein. Es ist nötig die Diskrepanz im Medienverständnis zwischen den Kindern und sich selbst zu schließen um ihren Bedürfnissen gerecht zu werden.
Im nächsten Beitrag geht es um Hintergründe und Ziele der aktiven Medienarbeit.
2 Kommentare
Neben der Berührungsangst vieler Digital Immigrants und der heutzutage immer noch sehr schlechten Ausbildung der LehrerInnen im Bereich Mediendidaktik, kommt meiner Meinung nach, ein weiterer wichtiger Aspekt hinzu, der aktuell den umfangreichen Einsatz von Medien in der Schule erschwert.
Die technische Ausstattung der Schulen ist oftmals miserabel. Es gibt meist viel zu wenige Computer und die, die vorhanden sind, haben eine derartig geringe Leistungsfähigkeit, dass die SchülerInnen nach kurzer Zeit die Lust verlieren. Außerdem ist oft nicht nur die Hardware veraltet, sondern, es ist auch kaum Software installiert, mit der man angemessen mediendidaktisch arbeiten kann.
Angenommen, man verfügt über einwandfreie technische Ausstattung, wäre jedoch sicherlich die Grundvoraussetzung, dass die Lehrenden damit auch kompetent umgehen können.
Es gibt also noch einige Baustellen in dem Bereich.
LG
Hallo Lisa,
herzlichen Dank für deinen Kommentar. Ich gebe dir vollkommen recht. Oft hindert die technische Ausstattung Pädagogen daran Neue Medien gut im Bildungsprozess einzusetzen. Nächste Woche werde ich zwei Artikel zu dem Thema veröffentlichen. Einmal welche Kompetenzen und Fähigkeiten Pädagogen brauchen und einmal wie es mit der technischen Ausstattung aussieht.
Viele Grüße
Jacqueline